Kulturelle Staatsreform: Ein Weckruf zur pro-demokratischen Haltung
Wie kann die Verwaltung als Hüterin der Demokratie gestärkt werden? Julia Kümper und Doreen Denstädt vom Verein Verwaltung für Demokratie beleuchten in Table.Media, warum es einen kulturellen Wandel in der Verwaltung braucht.

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Die Sache ist eindeutig: Das Grundgesetz legt fest, dass die Verwaltung wehrhaft und ihre Aufgabe der Schutz der demokratischen Ordnung ist. Eine wichtige Lektion aus dem Nationalsozialismus, die derzeit relevanter ist als jemals zuvor.
Verwaltungsmitarbeitende glauben oft, nichts tun zu können oder zu müssen, wenn eine Partei als demokratisch gelabelt wird, weil sie demokratisch gewählt ist, unabhängig von ihren antidemokratischen Inhalten. Dies zeigt den Bedarf zur Aufklärung über die Bedeutung der Verwaltung als Beschützerin der Demokratie.
In den USA wird gerade der Staat rabiat entkernt, Verwaltung und Justiz werden demontiert. Es ist ein weiterer Weckruf für deutsche Verwaltungsmitarbeitende, die jetzt ihre pro-demokratische Haltung aktiv zeigen müssen. Wir brauchen eine demokratische Generation Verwaltung!
Das Problem ist: Es gibt einen Hang zur Passivität, die es möglich macht, dass Grenzen überschritten werden, die zum Schutz der Demokratie errichtet wurden. Verwaltungsmitarbeitende verspüren eine Handlungsunsicherheit im Spannungsfeld zwischen parteipolitischer Neutralität und dem Schutz der Verfassung. Von außen betrachtet ist oft erkennbar, dass antidemokratische Kräfte auf die Verwaltung Einfluss nehmen wollen – während dies innerhalb des Systems schwerer vorstellbar ist. Das Innere der Verwaltung ist eine Blackbox.
Historische und kulturelle Entwicklungen führen häufig zu sozialen Zwängen sowie Machtgefällen und verstärken die Passivität. Wir erleben Missbrauch und Umdeutung von Grundrechten und Begrifflichkeiten. Beispielsweise werden die Meinungsfreiheit, die Neutralitätspflicht sowie die Bürokratie und der Rechtsstaat selbst mit einem negativen Framing versehen und damit Menschen in der Verwaltung zum Schweigen gebracht, die sich für demokratische Werte einsetzen.
Speziell der Diskurs um die parteipolitische Neutralitätspflicht wird auf eine politische Neutralitätspflicht verkürzt. Diese Verkürzung machen sich rechte und antidemokratische Kräfte zu eigen. Verwaltungsmitarbeitende unterliegen aber keiner politischen Neutralität; im Gegenteil, es besteht die Pflicht, sich für die Demokratie einzusetzen und sie aktiv zu schützen.
Im Zuge der Regierungsbildung in Deutschland fehlt die kulturelle Dimension der Staatsreform. Wir brauchen eine Staatsreform – aber mit Augenmaß und mit Blick auf das, was nötig ist, um unsere Demokratie zu stärken und zu schützen unter Einbeziehung der Expertise von Verwaltungsmitarbeitenden.
Wir benötigen nicht nur eine strukturelle, sondern auch eine kulturelle Staatsreform mit dem Ziel, Verwaltungsmitarbeitende zu befähigen, für die Demokratie aktiv einzutreten. Dafür braucht es Wissensvermittlung in Aus- und Fortbildung. Vereinzelte Fortbildungsprogramme sind hier nicht ausreichend, es braucht strukturell verankerte Angebote, die nachhaltig auf den Kulturwandel einwirken. Aktuell ist die von uns geforderte Generation „Demokratische Verwaltung“ oft auf sich allein gestellt.
Die im Beamtenrecht verankerte Remonstrationspflicht, die Pflicht, Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Vorgängen und Weisungen anzuzeigen, wird als Denunziantentum gebrandmarkt und steht nur den verbeamteten Verwaltungsmitarbeitenden zur Verfügung. Diese machen mittlerweile nur noch ein Drittel der Belegschaften aus. Zwei Drittel der Verwaltungsmitarbeitenden haben dieses Instrument nicht.
Interne Beschwerdestellen bieten allen Verwaltungsmitarbeitenden die Gelegenheit, sich außerhalb der Hierarchien an eine Stelle zu wenden, die nicht die unmittelbaren Vorgesetzten sind. Externe Beschwerdestellen haben darüber hinaus noch den Vorteil, dass sie sich außerhalb der Behördenstruktur befinden.
Ergänzend hierzu und ein wichtiger Fortschritt, der aber noch in der Praxis ankommen muss, ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Dieses schützt Beschäftigte, die auf rechtswidriges Verhalten in ihrer Behörde hinweisen – dazu zählen neben den Verwaltungsangestellten auch ausdrücklich Beamte und Beamtinnen. Hinweisgebenden darf aus ihrer Mitteilung kein Nachteil entstehen, grundsätzlich sind sie geschützt.
All diese Werkzeuge, aber insbesondere die Auseinandersetzung mit Fehlern, tragen zur Weiterentwicklung einer Behörde und zur Etablierung einer Fehlerkultur bei.
Die Struktur ist da, es fehlt die Kultur.
Deshalb braucht es einen unterstützenden Top-down-Ansatz, der demokratische Werte systemisch in den Strukturen etabliert und festigt. Es braucht ein kulturelles Verständnis für politische Extremsituationen und verpflichtende Fortbildungen in der Verwaltung.
Es gilt, die Deutungshoheit über Begrifflichkeiten von antidemokratischen Kräften zurückzugewinnen und aktiv unsere Demokratie zu schützen, solange wir dazu noch die Möglichkeit haben. Wir brauchen jetzt eine Generation „Demokratische Verwaltung“.
Zitat:
Verwaltungsmitarbeitende müssen jetzt ihre demokratische Haltung aktiv zeigen.
Kurzfassung:
Die Verwaltung ist der Garant der Demokratie. Sie zu schützen, ist die Pflicht aller Verwaltungsmitarbeitenden. Strukturell sind dafür alle Möglichkeiten gegeben, auch wenn die Gegner der Demokratie immer stärker werden. Was es jetzt braucht, ist eine Staatsreform, die einen kulturellen Wandel in der Verwaltung schafft. Was es braucht, ist eine aktive Generation “Demokratische Verwaltung”.