Copy­right: Paul-Phil­ipp Braun
Die Sache ist ein­deu­tig: Das Grund­ge­setz legt fest, dass die Ver­wal­tung wehr­haft und ihre Auf­gabe der Schutz der demo­kra­ti­schen Ord­nung ist. Eine wich­tige Lek­tion aus dem Natio­nal­so­zia­lis­mus, die der­zeit rele­van­ter ist als jemals zuvor.
Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­tende glau­ben oft, nichts tun zu kön­nen oder zu müs­sen, wenn eine Par­tei als demo­kra­tisch gela­belt wird, weil sie demo­kra­tisch gewählt ist, unab­hän­gig von ihren anti­de­mo­kra­ti­schen Inhal­ten. Dies zeigt den Bedarf zur Auf­klä­rung über die Bedeu­tung der Ver­wal­tung als Beschüt­ze­rin der Demokratie.
In den USA wird gerade der Staat rabiat ent­kernt, Ver­wal­tung und Jus­tiz wer­den demon­tiert. Es ist ein wei­te­rer Weck­ruf für deut­sche Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­tende, die jetzt ihre pro-demo­kra­ti­sche Hal­tung aktiv zei­gen müs­sen. Wir brau­chen eine demo­kra­ti­sche Gene­ra­tion Verwaltung!
Das Pro­blem ist: Es gibt einen Hang zur Pas­si­vi­tät, die es mög­lich macht, dass Gren­zen über­schrit­ten wer­den, die zum Schutz der Demo­kra­tie errich­tet wur­den. Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­tende ver­spü­ren eine Hand­lungs­un­si­cher­heit im Span­nungs­feld zwi­schen par­tei­po­li­ti­scher Neu­tra­li­tät und dem Schutz der Ver­fas­sung. Von außen betrach­tet ist oft erkenn­bar, dass anti­de­mo­kra­ti­sche Kräfte auf die Ver­wal­tung Ein­fluss neh­men wol­len – wäh­rend dies inner­halb des Sys­tems schwe­rer vor­stell­bar ist. Das Innere der Ver­wal­tung ist eine Blackbox.
His­to­ri­sche und kul­tu­relle Ent­wick­lun­gen füh­ren häu­fig zu sozia­len Zwän­gen sowie Macht­ge­fäl­len und ver­stär­ken die Pas­si­vi­tät. Wir erle­ben Miss­brauch und Umdeu­tung von Grund­rech­ten und Begriff­lich­kei­ten. Bei­spiels­weise wer­den die Mei­nungs­frei­heit, die Neu­tra­li­täts­pflicht sowie die Büro­kra­tie und der Rechts­staat selbst mit einem nega­ti­ven Framing ver­se­hen und damit Men­schen in der Ver­wal­tung zum Schwei­gen gebracht, die sich für demo­kra­ti­sche Werte einsetzen.
Spe­zi­ell der Dis­kurs um die par­tei­po­li­ti­sche Neu­tra­li­täts­pflicht wird auf eine poli­ti­sche Neu­tra­li­täts­pflicht ver­kürzt. Diese Ver­kür­zung machen sich rechte und anti­de­mo­kra­ti­sche Kräfte zu eigen. Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­tende unter­lie­gen aber kei­ner poli­ti­schen Neu­tra­li­tät; im Gegen­teil, es besteht die Pflicht, sich für die Demo­kra­tie ein­zu­set­zen und sie aktiv zu schützen.
Im Zuge der Regie­rungs­bil­dung in Deutsch­land fehlt die kul­tu­relle Dimen­sion der Staats­re­form. Wir brau­chen eine Staats­re­form – aber mit Augen­maß und mit Blick auf das, was nötig ist, um unsere Demo­kra­tie zu stär­ken und zu schüt­zen unter Ein­be­zie­hung der Exper­tise von Verwaltungsmitarbeitenden.
Wir benö­ti­gen nicht nur eine struk­tu­relle, son­dern auch eine kul­tu­relle Staats­re­form mit dem Ziel, Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­tende zu befä­hi­gen, für die Demo­kra­tie aktiv ein­zu­tre­ten. Dafür braucht es Wis­sens­ver­mitt­lung in Aus- und Fort­bil­dung. Ver­ein­zelte Fort­bil­dungs­pro­gramme sind hier nicht aus­rei­chend, es braucht struk­tu­rell ver­an­kerte Ange­bote, die nach­hal­tig auf den Kul­tur­wan­del ein­wir­ken. Aktu­ell ist die von uns gefor­derte Gene­ra­tion „Demo­kra­ti­sche Ver­wal­tung“ oft auf sich allein gestellt.
Die im Beam­ten­recht ver­an­kerte Remons­tra­ti­ons­pflicht, die Pflicht, Zwei­fel an der Recht­mä­ßig­keit von Vor­gän­gen und Wei­sun­gen anzu­zei­gen, wird als Denun­zi­an­ten­tum gebrand­markt und steht nur den ver­be­am­te­ten Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ten­den zur Ver­fü­gung. Diese machen mitt­ler­weile nur noch ein Drit­tel der Beleg­schaf­ten aus. Zwei Drit­tel der Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ten­den haben die­ses Instru­ment nicht.
Interne Beschwer­de­stel­len bie­ten allen Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ten­den die Gele­gen­heit, sich außer­halb der Hier­ar­chien an eine Stelle zu wen­den, die nicht die unmit­tel­ba­ren Vor­ge­setz­ten sind. Externe Beschwer­de­stel­len haben dar­über hin­aus noch den Vor­teil, dass sie sich außer­halb der Behör­den­struk­tur befinden.
Ergän­zend hierzu und ein wich­ti­ger Fort­schritt, der aber noch in der Pra­xis ankom­men muss, ist das Hin­weis­ge­ber­schutz­ge­setz (HinSchG). Die­ses schützt Beschäf­tigte, die auf rechts­wid­ri­ges Ver­hal­ten in ihrer Behörde hin­wei­sen – dazu zäh­len neben den Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ten auch aus­drück­lich Beamte und Beam­tin­nen. Hin­weis­ge­ben­den darf aus ihrer Mit­tei­lung kein Nach­teil ent­ste­hen, grund­sätz­lich sind sie geschützt.
All diese Werk­zeuge, aber ins­be­son­dere die Aus­ein­an­der­set­zung mit Feh­lern, tra­gen zur Wei­ter­ent­wick­lung einer Behörde und zur Eta­blie­rung einer Feh­ler­kul­tur bei.
Die Struk­tur ist da, es fehlt die Kultur.
Des­halb braucht es einen unter­stüt­zen­den Top-down-Ansatz, der demo­kra­ti­sche Werte sys­te­misch in den Struk­tu­ren eta­bliert und fes­tigt. Es braucht ein kul­tu­rel­les Ver­ständ­nis für poli­ti­sche Extrem­si­tua­tio­nen und ver­pflich­tende Fort­bil­dun­gen in der Verwaltung.
Es gilt, die Deu­tungs­ho­heit über Begriff­lich­kei­ten von anti­de­mo­kra­ti­schen Kräf­ten zurück­zu­ge­win­nen und aktiv unsere Demo­kra­tie zu schüt­zen, solange wir dazu noch die Mög­lich­keit haben. Wir brau­chen jetzt eine Gene­ra­tion „Demo­kra­ti­sche Verwaltung“.
Zitat:
Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­tende müs­sen jetzt ihre demo­kra­ti­sche Hal­tung aktiv zeigen.
Kurz­fas­sung:
Die Ver­wal­tung ist der Garant der Demo­kra­tie. Sie zu schüt­zen, ist die Pflicht aller Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­ten­den. Struk­tu­rell sind dafür alle Mög­lich­kei­ten gege­ben, auch wenn die Geg­ner der Demo­kra­tie immer stär­ker wer­den. Was es jetzt braucht, ist eine Staats­re­form, die einen kul­tu­rel­len Wan­del in der Ver­wal­tung schafft. Was es braucht, ist eine aktive Gene­ra­tion “Demo­kra­ti­sche Verwaltung”.